Nach Schätzungen des Aktionsbündnis Patientensicherheit passieren allein in Krankenhäusern jährlich etwa 200.000 Behandlungsfehler. Welche Möglichkeiten haben Patienten bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler? Wann hat der Patient einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz? Und wann liegt eigentlich ein grober Behandlungsfehler vor?
Vorgehen bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler
Sollten Sie den Verdacht haben, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein, sollten Sie alle Einzelheiten der Behandlung genau dokumentieren. Es empfiehlt sich, eine Art Patiententagebuch zu führen, in dem Sie alle Behandlungen, stationären Aufenthalte und weitere wichtigen Informationen erfassen. Anhand eines solchen Tagebuchs ist eine spätere Rekonstruktion der Ereignisse leicht nachvollziehbar.
Im nächsten Schritt steht die Aufklärung des Verdachts eines Behandlungsfehlers im Mittelpunkt. In den seltensten Fällen wird der Arzt oder das Klinikum einen Behandlungsfehler zugeben und noch seltener werden Sie bei der Aufklärung eines Verdachts auf einen Behandlungsfehler auf Unterstützung von Arzt oder Klinikum hoffen dürfen.
Es gilt also, den Verdacht eines Behandlungsfehlers aufzuklären und einen konkreten Haftungsvorwurf zu formulieren. Im Haftungsvorwurf wird der Behandlungsfehler konkretisiert, also dargelegt, ob es sich um einen Diagnosefehler, einen Befunderhebungsfehler, einen Aufklärungsfehler oder einen Kunstfehler handelt. Je genauer der Behandlungsfehler dargelegt wird, desto einfacher ist es für den Gutachter die ärztliche Behandlung auf den Fehler hin zu überprüfen.
Grober Behandlungsfehler – Beispiele
Verwechslung von Patienten: Wenn ein Arzt versehentlich einen Patienten mit einem anderen verwechselt und ihm dadurch die falsche Behandlung gibt, kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben. Zum Beispiel könnte der Patient eine falsche Diagnose erhalten oder unerwünschte medizinische Maßnahmen durchführen lassen, die nicht notwendig oder sogar schädlich sind.
Fehlende Aufklärung: Ein Arzt hat die Pflicht, seinen Patienten über mögliche Risiken und Nebenwirkungen einer Behandlung aufzuklären. Wenn er dies versäumt und der Patient dadurch Schaden erleidet, kann dies als grober Behandlungsfehler angesehen werden. Zum Beispiel könnte ein Patient unerwartete Nebenwirkungen von Medikamenten erfahren, die er ohne ausreichende Information eingenommen hat.
Unnötige Operation: Wenn ein Arzt eine Operation durchführt, die nicht notwendig oder nicht angezeigt ist, kann dies als grober Behandlungsfehler betrachtet werden. Zum Beispiel könnte ein Patient eine unnötige Operation am Rücken haben, die seine Beschwerden nicht lindert oder sogar verschlimmert.
Fehlende oder falsche Diagnose: Wenn ein Arzt eine Diagnose versäumt oder eine falsche Diagnose stellt, kann dies dramatische Folgen haben. Zum Beispiel könnte ein Krebspatient eine falsche Diagnose erhalten und dadurch wertvolle Zeit verlieren, die für eine erfolgreiche Behandlung entscheidend ist. In einem solchen Fall ist es wahrscheinlich, dass der Patient Anspruch auf Schadenersatz hat, da die fehlerhafte Diagnose zu einem erheblichen Schaden geführt hat.
Fehlerhafte medizinische Geräte: Wenn ein medizinisches Gerät, wie zum Beispiel ein Herzschrittmacher oder ein künstliches Hüftgelenk, fehlerhaft ist und dadurch zu Komplikationen führt, kann dies schwerwiegende Komplikationen nach sich ziehen. Zum Beispiel könnte der Patient einen Herzinfarkt erleiden oder eine Infektion bekommen, die lebensbedrohlich ist. In einem solchen Fall ist es wahrscheinlich, dass der Patient Anspruch auf Schadenersatz hat.
Medikamentenfehler: Verschreibt oder verabreicht ein Arzt oder Apotheker dem Patienten versehentlich ein falsches Medikament, kann dies lebensbedrohliche Folgen haben. Zum Beispiel könnte der Patient eine allergische Reaktion oder eine Überdosis erleiden, die zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen führt. In einem solchen Fall ist es ebenfalls sehr wahrscheinlich, dass der Patient Anspruch auf Schadenersatz hat.
Anforderung von Behandlungsunterlagen
Die „Arbeitsgrundlage“ bei der Aufklärung eines Behandlungsfehlers bilden immer die Behandlungsunterlagen des Arztes oder des Klinikums. Die Behandlungsunterlagen sollten daher immer zuerst angefordert werden.
- Sollten Sie Hilfe bei der Anforderung der Behandlungsunterlagen benötigen, nehmen Sie unverbindlich Kontakt auf! Rufen Sie mich an unter 0941 – 20 600 850 oder schreiben Sie mir eine E-Mail an kontakt@engelhardt-rechtsanwalt.de.
Jeder Patient hat einen Anspruch auf Herausgabe seiner Behandlungsunterlagen. Nach § 630g BGB ist dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische oder sonstige erhebliche Gründe entgegenstehen.
Gutachten über Behandlungsfehler einholen
Im nächsten Schritt besteht die Möglichkeit, den Verdacht eines Behandlungsfehlers durch ein Gutachten klären zu lassen. Neben der Möglichkeit hierzu einen Privatgutachter einzusetzen, kann ein solches Gutachten über den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) oder über die Landesärztekammern eingeholt werden.
Die gesetzlichen Krankenkassen sind nach dem Gesetz dazu verpflichtet, ihre Versicherten bei der Aufklärung eines Behandlungsfehlers zu unterstützen. Diese Unterstützung erfolgt im Rahmen der Einholung eines Gutachtens durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
Eine weitere Möglichkeit an ein außergerichtliches Gutachten zu gelangen, bieten die Ärztekammern der einzelnen Bundesländer. Voraussetzung für die Erstellung eines Gutachtens durch die jeweilige Landesärztekammer ist jedoch, dass die Gegenseite, also der Arzt oder das Klinikum, der Einholung eines Gutachtens durch die Landesärztekammer zustimmt.
Bereits vor der Einholung eines Gutachtens durch den MDK oder die Landesärztekammer empfiehlt es sich, Kontakt zu einem Fachanwalt für Medizinrecht aufzunehmen. Denn eine wichtige Rolle im Gutachterverfahren spielt die Konkretisierung des Haftungsvorwurfs, der vom Gutachter beurteilt werden soll. Gerade im Verfahren vor den Landesärztekammern wird der Arzt oder das Klinikum von seiner Haftpflichtversicherung unterstützt. Ohne professionelle Unterstützung des Patienten kann so schnell ein Kräfteungleichgewicht entstehen.
Grober Behandlungsfehler
In vielen Fällen ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers eindeutig gegeben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich um einen groben Behandlungsfehler handelt.
Nach der Definition des BGH liegt ein grober Behandlungsfehler vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Im Fall eines groben Behandlungsfehlers findet eine Beweislastumkehr statt, d.h. es wird vermutet, dass der eingetretene Gesundheitsschaden auf den Behandlungsfehler zurückzuführen ist.
Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, ist eine außergerichtliche Einigung auf Schmerzensgeld und Schadensersatz mit der Klinik oder dem Arzt oft auch ohne vorherige Einholung eines Gutachtens möglich.
In den seltensten Fällen wird der Arzt oder das Klinikum jedoch das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers eingestehen, so dass Sie sich von einem Fachanwalt für Medizinrecht vertreten lassen sollten.
- Haben Sie den Verdacht, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein? Nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit uns auf!
Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Behandlungsfehlers
Sollten Sie Opfer eines Behandlungsfehlers geworden sein, haben Sie einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Höhe des Schmerzensgeldes bemisst sich nach dem Umfang des Behandlungsfehlers und den Auswirkungen des Fehlers auf Ihre Gesundheit und Ihr zukünftiges Leben. Die Höhe des materiellen Schadensersatzes hängt von den konkreten materiellen Schäden ab. Hierzu zählen u.a. Verdienstausfallschaden, Haushaltsführungsschaden, Zuzahlungen, Fahrtkosten etc.
Bei der konkreten Bemessung des Schadensersatzes und des Schmerzensgeldes ist Vorsicht geboten. Viele Haftpflichtversicherer der Ärzte und Kliniken versuchen, eine Haftung für spätere Schäden durch eine Abfindungsvereinbarung auszuschließen. Bei Unterzeichnung einer solchen können spätere Schäden, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr geltend gemacht werden.
Sie sollten sich bei den Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung des Arztes oder des Klinikums von einem Fachanwalt für Medizinrecht unterstützen lassen. Oft können Sie nur mit seiner Hilfe tatsächlich die Schäden ersetzt bekommen, die Ihnen entstanden sind.
Fazit
Das Vorgehen bei Verdacht auf einen ärztlichen Kunstfehler unterscheidet sich von Fall zu Fall. In den seltensten Fällen wird der Arzt oder das Klinikum einen Behandlungsfehler einfach so zugeben und in der Folge einen angemessenen Schadensersatz leisten. Aufgrund der komplexen Materie und dem oft langwierigen Verfahren empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Medizinrecht mit der Unterstützung zu beauftragen. Die Kosten hierfür werden – falls vorhanden – von Ihrer Rechtsschutzversicherung übernommen. Falls Sie über keine Rechtsschutzversicherung verfügen, unterbreiten wir Ihnen gerne ein faires Angebot.
Nehmen Sie unverbindlich mit uns Kontakt auf! Wir unterstützen Sie bei der Aufklärung und Regulierung eines ärztlichen Behandlungsfehlers. Rufen Sie mich an unter 0941 – 20 600 850 oder schreiben Sie mir eine E-Mail an kontakt@engelhardt-rechtsanwalt.de.
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